Ethernet-APL – Der Aufbruch der Prozessindustrie in die Digitalisierung beginnt jetzt, darüber waren sich die Akteure auf der Herbst-Pressekonferenz bei Endress+Hauser einig. Nachdem alle Tests positiv verlaufen sind, soll in 2022 die erste Pilotanlage mit Ethernet-APL starten.
Die Prozessindustrie hängt an der Analogtechnik fest. Das soll sich jetzt ändern, bekräftigte Endress+Hauser auf einer Pressekonferenz am 21. Oktober gemeinsam mit Pepperl+Fuchs und BASF. „Die 4…20mA-Analogtechnik reicht für die reine Prozesssteuerung aus, mehr aber nicht, da kein nahtloser Datenzugriff auf die Feldebene möglich ist. Das zusätzliche Hart-Protokoll, das heute meistens nur für die Konfiguration der Geräte genutzt wird, ist für einen umfangreichen Datenzugriff schlicht zu langsam“, stellte Benedikt Spielmann, Marketing Manager Industrial Communication, Endress+Hauser Digital Solutions, die Ist-Situation vor.
Dagegen ist Ethernet für die schnelle Datenübertragung in vielen Branchen gang und gäbe. Hinderlich für den Einsatz in der Prozessindustrie ist die separate Energieversorgung, was mit hohen Kosten verbunden ist. Schließlich sind in Prozessanlagen Distanzen von 1000 Metern keine Seltenheit. Auch der typische RJ-45-Stecker ist nicht für die raue Umgebung im Feld ausgelegt. Am stärksten sprach bisher jedoch die fehlende Eigensicherheit gegen den Einsatz von Ethernet im Feld.
Die Zeiten haben sich geändert: Unter dem Stichwort Ethernet-APL wurde eine sichere, zukunftsfähige Lösung für die sensiblen Bereiche der Prozessindustrie entwickelt. Dafür haben die Organisationen Fieldcomm Group (FCG), ODVA, OPC Foundation und PI sowie zwölf Industriepartner intensiv an einer 2-Draht Ethernet-Lösung für die Prozessautomatisierung gearbeitet. Die Arbeiten an der Spezifikation von Ethernet-APL sind abgeschlossen, die Technologie wurde im Rahmen der virtuellen Messe Achema Pulse 2021 der Öffentlichkeit vorgestellt. Und wurde bislang nur mit Geräte-Prototypen gearbeitet, bringt Endress+Hauser nun im Laufe des ersten Halbjahres 2022 Ethernet-APL-Geräte für die Messprinzipien Durchfluss, Füllstand, Druck und Temperatur auf den Markt.
Dabei ist die Ethernet-Technologie eigentlich nicht neu für den Gerätehersteller.
„Bereits vor zehn Jahren haben wir ein Durchflussmessgerät mit Ethernet-Konnektivität auf den Markt gebracht und seitdem das Angebot Schritt für Schritt erweitert“, Benedikt Spielmann, Marketing Manager Industrial Communication, Endress+Hauser Digital Solutions. (Bild: Endress+Hauser)
„Bereits vor zehn Jahren haben wir ein Durchflussmessgerät mit Ethernet-Konnektivität auf den Markt gebracht und seitdem das Angebot Schritt für Schritt erweitert“, erklärte Spielmann. Diese 4-Leiter-Ethernet-Geräte, die mit Profinet ausgestattet sind, bewähren sich seit vielen Jahren in der Lifescience-, Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Hier helfen die neu gewonnenen Prozessdaten und Diagnoseinformationen bei der Optimierung von Abläufen. Von diesen Erfahrungen profitieren nun die Chemie-, sowie die Gas & Öl-Branche und Minerals and Mining , also Anwender, die hohe Anforderungen an den Explosionsschutz stellen.
„Die Umsetzung von APL in die Praxis ist so einfach wie es die Anwender von 4...20 mA gewohnt sind, nur dass es mit mehr Komfort verbunden ist“, bestätigt Andreas Hennecke, Product Marketing Manager bei Pepperl+Fuchs.
Mittlerweile stehen auch die ersten Infrastrukturkomponenten zur Verfügung, wie dieser Ethernet-APL Rail Field Switch. (Bild: Pepperl & Fuchs)
Mittlerweile stehen auch die ersten Infrastrukturkomponenten zur Verfügung, wie der Ethernet-APL Rail Field Switch von Pepperl & Fuchs. Dieser auf Hutschiene montierbare Field Switch kann in Zone 2 installiert werden. Die Anschlüsse für Feldgeräte können 200 m lang sein und sind eigensicher für die Zone 2 (Ex ic).
Bisher kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen – mit der digitalen Datenautobahn sind nun auch neue Geschäftsmodelle in Richtung optimierter Prozesse möglich. Edge-Geräte übermitteln hierzu Geräte-Daten direkt vom Feld in die Cloud wie beispielsweise in das Endress+Hauser IIoT-Ökosystem Netilion. Dort werden Analysen und Auswertungen gefahren und deren Ergebnisse an die Anwender in Form von Informationen und Handlungsempfehlungen zurückgespielt.
Ergänzendes zum ThemaArbeitspakete im APL-ProjektStart für Ethernet in der Prozessindustrie Bis Ethernet-APL alle Anforderungen der Prozessindustrie erfüllte, gab es eine Menge Arbeit zu erledigen. Alle Beteiligten zogen jedoch an einem Strang und so konnten alle Arbeitspakete fristgerecht abgeliefert werden.10BASE-T1L: Die Spezifikation IEEE802.3cg-2019 definiert die Full-Duplex-Datenübertragung mit 10 Mbit/s über ein Zweileiterkabel für Distanzen bis zu 1000 Meter. Das ist auch die Basis zur Produktion von PHY-Komponenten (Microchips zur Codierung und Decodierung in Ethernet-APL-Geräten). 2-WISE: Das Konzept für 2-Wire Intrinsically Safe Ethernet (2-WISE) basiert auf dem Fieldbus Intrinsically Safe Concept (FISCO). Eine Migration von bestehenden Feldbusinstallationen wird durch kompatible Ex-i-Parameter vereinfacht und eine einfache Installation ohne umfangreiche Validierungen in Ex-Bereichen sichergestellt. Port Profiles: In der APL-Port-Profile-Spezifikation werden funktionale und elektrische Anforderungen mit mehreren Energiekonzepten festgelegt. Dies ermöglicht unterschiedliche Topologien, wie das gängige Trunk-and-Spur-Konzept, mit bis zu 1000 Meter auf dem Trunk und 200 Meter auf der Spur-Line. Die Spezifikation beinhaltet zudem Installationsregeln wie zugelassene Kabel, Schirmung und Erdung sowie die Definition von Klemmverbindungen und M8/M12-Steckverbindern.Engineering Guideline: Diese Guideline bietet auf 100 Seiten detaillierte Informationen für die Planung, Installation und Inbetriebnahme von Ethernet-APL-Netzwerken. Darin werden auch Fragen zur Schirmung und Erdung, sowie zur Anlagenintegration anhand von Beispielanwendungen geklärt. Conformance Test Specification: Um die Konformität eines Ethernet-APL-Geräts mit den genannten Spezifikationen sicherzustellen, wird eine entsprechende Testspezifikation erstellt. Diese Tests sind die Basis für die Zertifizierungen von Ethernet-APL-Geräten bei akkreditierten Prüflaboren der involvierten Nutzerorganisationen. Dadurch wird die Interoperabilität von Ethernet-APL-Geräten für den Endanwender sichergestellt.
Bis Ethernet-APL alle Anforderungen der Prozessindustrie erfüllte, gab es eine Menge Arbeit zu erledigen. Alle Beteiligten zogen jedoch an einem Strang und so konnten alle Arbeitspakete fristgerecht abgeliefert werden.
Ein typisches Beispiel ist die vorausschauende Wartung, die mit Echtzeitdaten aus den Feldgeräten gesteuert wird. Aus Sorge vor Produktionsausfällen sind die Kosten für reaktive und vorbeugende Wartungsarbeiten in der Prozessindustrie immer noch enorm hoch. Auch der zeitliche Aufwand für die Reparatur und die Beschaffung von Ersatzteilen ist groß.
Ethernet-APL sorgt für mehr Flexibilität in der Topologie. (Bild: Endress+Hauser)
Mit Daten aus Sensoren, die schneller und detaillierter über die neue Datenautobahn transportiert werden, lassen sich neue Informationen generieren, mit der ein Wechsel von der turnusmäßigen zu einer vorausschauenden Instandhaltung gelingt. „Die Algorithmen sind in den Feldgeräten vorhanden, müssen aber in der Cloud auch verarbeitet werden. Ethernet-APL kann diese Daten zur Verfügung stellen“, erklärt Spielmann.
Und was sagen die Anwender dazu?
„Wir prüfen Ethernet-APL mit unterschiedlichen Prozessleitsystemen und können sagen, dass es wirklich gut läuft.“ Gerd Niedermayer, Senior E+I Engineering Manager, BASF SE. (Bild: Endress+Hauser)
Klare Position bezog Gerd Niedermayer, Senior E+I Engineering Manager, BASF: „Wir wollten von Anfang an dabei sein.“ Daher wurde im März 2019 am BASF-Standort Ludwigshafen ein eigenständiges Testlabor mit Prototypen führender Prozesstechnik-Ausrüster aufgebaut. Dazu gehörten neben Sensorik, Aktorik auch Motorsteuergeräte und Frequenzumrichter. Im BASF-Testlabor wurden auch Geräte installiert, die für den Einsatz in explosionsfähigen Atmosphären geeignet sind. Momentan betrifft das noch die Zündschutzart Ex ic, doch schon bald sollen eigensichere Geräte für den Einsatz in Zone 0 (Ex ia) getestet werden. Die Tests reichten von der Installation über die Inbetriebnahme bis hin zum Ausschleusen von Daten parallel zum Prozessleitsystem.
Weiterhin war für die BASF der Einsatz eines zentralen Asset Management sehr wichtig sowie die parallele Ausschleusung von Daten entsprechend dem Namur Open Architecture-Konzept. Untersucht wurde unter anderem der Betrieb mit verschiedenen Protokollen, Redundanz, Geräteaustausch und Export von Gerätediagnose- und Konfigurationsdaten parallel zum zyklischen Datenaustausch.
Die Arbeit im Testlabor zeigte, dass Daten schnell in die Sensoren hochgeladen werden können. Auch der umgekehrte Weg ist problemlos und mit hoher Geschwindigkeit möglich. „Uns war sehr wichtig, dass wir schauen, wie die Kommunikation mit gemischten Geräten funktioniert“, so Niedermayer. Seine Bilanz: „Das Plug & Play ist einfach, die Geräte sind in weniger als einer Minute verfügbar. Das ist mit der Profinet-Installation sehr schön gelöst.“ Netzwerk- und Gerätediagnosen sind einfach aufrufbar, Fehler leicht zu identifizieren und somit schneller zu beseitigen. Im Zusammenspiel mit der System- und Medienredundanz führt dies zu einer effizienten Instandhaltung und hohen Verfügbarkeit der Anlage.
Zudem sind die bei der BASF verwendeten Standard-Sicherheitssteuerungen bereits mit einem Profinet-Kommunikationsmodul ausgestattet, das direkt mit den APL-Fieldswitches verbunden wird. Daher kann in der Zukunft dieselbe Technik für die Sicherheits- wie für die Leitsystemanwendungen genutzt werden. Detailliert werden die Vorteile des konsequenten Einsatzes der Ethernet-APL-Technologie auch im Whitepaper „Ethernet-APL im Feld für hochverfügbare Sicherheitsanwendungen“ vorgestellt und erläutert.
So empfehlen die Autoren beispielsweise die Investitionen für Ethernet-APL in der Prozessautomation mit zu nutzen, um die Anforderungen für funktional sichere Anwendungen mit zu berücksichtigen. Damit werde der Markteintritt erleichtert und nachträgliche zusätzliche Investitionen vermieden.
Derzeit beginnen Tests mit Profisafe-Feldgeräten mit Safety PLScs. Im kommenden Jahr soll der jetzigen Testanlage ein erster Einsatz in einem Chemietechnikum bei der BASF Ludwigshafen folgen. Dann sind nicht mehr nur Geräte-Prototypen am Start, sondern bereits am Markt verfügbare Geräte am Start. Der Endspurt auf der Datenautobahn kann beginnen. ●
Mit praktikablen Industrie 4.0-Konzepten dem Markt immer einen Schritt voraus
Erfolgreiches 2021: Bald 50 Millionen installierte Profinet-Geräte
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