04.05.22 - MS-Befestigungselemente ist im wahrsten Sinn des Wortes ein "Hidden Champion": Im kleinen Familienunternehmen in Hilders-Dietges werden 50 Prozent der deutschlandweit benötigten Nägel für Europaletten hergestellt, jährlich rund 10.000 Tonnen. Seit dem Beginn des Ukrainekriegs bekommt Geschäftsführer Dirk Schiebelhut Anfragen aus ganz Deutschland: Das Vorprodukt, gezogener Draht, wird in der Bauindustrie und selbst in Einkaufswagen benötigt - und kommt häufig aus Russland oder der Ukraine.
Ursprünglich wurde in Dietges vor allem für das Palettenwerk Krenzer in Poppenhausen-Abtsroda gefertigt. Palettennägel sind unscheinbar, halten aber die Logistik zusammen: "In einer Europalette werden insgesamt 78 Nägel verarbeitet. Die Europalette ist das Maß aller Dinge in der Logistik, seit sie damals von der Bahn eingeführt wurde: Ein Lkw ist 2,50 Meter breit, damit zwei Europaletten nebeneinander auf der Ladefläche unterkommen. Die Nägel selbst sind aus Baustahl, das Vormaterial ist Schrott. Der wird geschmolzen und ausgewalzt. Der daraus entstehende Walzdraht wird bei uns auf der Ziehmaschine zu gezogenem Draht - und aus diesem werden dann die Nägel", erklärt Schiebelhut.
Gezogener Stahl aus der Ukraine
Gezogener Stahl aus der Ukraine
Das Problem: Das Ziehen des Drahts findet häufig im Ausland statt, weil dieser Arbeitsschritt energie- und arbeitsintensiv ist. "In den letzten 20 Jahren sind die Produktionsmaschinen häufig nach Osteuropa ausgelagert worden. Wir sind einer der wenigen Exoten, die noch mit Drahtzugmaschinen in Deutschland selbst produzieren - und das spricht sich rum, in solchen Zeiten: Der gezogene Draht, den wir selbst herstellen und woraus dann letztlich die Nägel entstehen, ist begehrt in der Bauindustrie, als Bindedrahtgewebe etwa, aber auch für die Streben im Einkaufswagen oder die Metallstifte in der Waschmaschine. Seitdem Stahlwerke in der Ukraine heruntergefahren oder ganz zerstört wurden und Russland mit Sanktionen belegt wurde, ist der Nachschub für gezogenen Draht gefährdet. Deswegen bekommen wir deutschlandweit Anfragen, ob wir die Produktion nicht übernehmen können."
In einer Europalette kommen 78 Nägel unter
In einer Europalette kommen 78 Nägel unter
Weil die Autoindustrie schwächelt, herrscht zudem Baustahl-Knappheit: "Weniger Schrott, weniger Walzdraht. Dazu kommen noch die Stahlquoten der EU: Wir haben im Jahr 2019 rote Zahlen geschrieben, weil der Preis für Walzdraht, das Vorprodukt für gezogenen Stahl, wegen dieser Quoten nach oben geschossen ist. Ist die Quote erfüllt, kommt für Walzstahl aus Nicht-EU-Ländern 25 Prozent Zoll obendrauf. Diese Quotenregelung wollen große Produzenten fallen sehen - für uns Mittelständler ist sie dagegen sinnvoll, vorausgesetzt sie wird auf die gesamte Produktkette angewendet, weil sonst auch Stahl-Fertigprodukte aus diesen Ländern zu günstig eingeführt werden."
Walzdrahtlager Drahtziehmaschine: links Einlauf Walzdraht, rechts gezogener Draht Fertig gezogener Draht für die Nagelproduktion Walzdraht Nägel für die Herstellung von EUR-Paletten
Drahtziehmaschine: links Einlauf Walzdraht, rechts gezogener Draht
Fertig gezogener Draht für die Nagelproduktion
Nägel für die Herstellung von EUR-Paletten
Erst die Coronakrise und jetzt der Ukrainekrieg hätten vielen deutschen Unternehmen schmerzhaft aufgezeigt, wie wichtig Verfügbarkeit ist - und Nähe: "Im Ruhrgebiet gab es früher den Lehrberuf des Drahtziehers. Das kann heute kaum einer mehr - in Deutschland. Wir fahren jetzt schon Nachtschichten, um der Marktnachfrage Herr werden zu können. Wir sind einer der wenigen Produzenten von Palettennägeln in Deutschland. Wer bei uns anfragt, auf den können wir uns schnell und individuell in der Produktion einstellen. Wir produzieren im Tausendstel-Millimeterbereich und durch unsere zentrale Lage in Deutschland können wir schnell liefern. Das sind Vorteile, die jetzt schwer wiegen", so Schiebelhut. (mau) +++