Günther Jauch ist Schuld. Als der Fernsehjournalist Ende der 90er-Jahre dazu aufrief, dass zehn Prozent der Arbeitsplätze beim Spargelstechen durch deutsche Arbeitslose besetzt werden sollten, gingen die deutschen Spargelbauer auf die Barrikaden. „Mein Vater hat damals die Sendung Stern-TV bei RTL gesehen und hatte Verständnis für die Einwände. Da kam er auf die Idee, eine Maschine zu konstruieren für das Spargelstechen“, erklärt Christoph Neubauer die Anfänge jener Firma aus Scheidingen, der nun eine große Ehre zuteil wurde.
Scheidingen - In einer Studie der Universität Trier, die im Auftrag des NRW-Wirtschaftsministeriums erstellt wurde, ist Neubauer Automation in die Liste der sogenannten „Hidden Champions“ aufgenommen worden. 690 heimliche Marktführer in Nordrhein-Westfalen sind darin aufgeführt.
Und ein Unternehmen ist eben jenes aus Scheidingen, das sich der Automatisierung in der Spargelernte verschrieben hat. Aus dem Plan, eine Maschine für das Spargelstechen zu bauen, wurde zwar nichts. „Wir haben eine Analyse gemacht und festgestellt, dass die Technik nicht gut genug ist, außerdem zu teuer und letztlich unwirtschaftlich würde“, erinnert sich der Juniorchef der Scheidinger Firma an die Anfänge.
Sein Vater Hermann Neubauer, der aus der Maß- und Regeltechnik kommt, hatte bis dahin Sensorik produziert für Maschinen, wollte eigene Gerätschaften erstellen mit vom ihm konstruierter Steuerung. Erste Sondermaschinen im Automobil-Zulieferbereich wurden gebaut, auch ein Roboter zur Säuberung von Gusswerkzeugen zur Glasflaschenherstellung und zum Zuschneiden von Dämmwollplatten.
Das war aber noch nicht der Durchbruch. Der kam mit dem Spargel. Das mit dem Spargelstechen hatte sich zwar erledigt. „Doch wir haben uns in einem Betrieb angeschaut, wie der Spargel von Hand sortiert wurde. Da haben wir uns gedacht, das kann man automatisieren“, war Christoph Neubauer als gelernter Werkzeugmacher längst mit im Boot.
Also tüftelten Vater und Sohn sowie ein weiterer Mitarbeiter an einem Gerät, in dem Videokameras die Spargelstangen nach Länge, Krümmung und Dicke vermessen, 20 Fotos pro Stange machen. „Wir haben eine Software entwickelt, die Maschine aus dem Stand gebaut und auf der Spargelmesse in Leese präsentiert“, erklärt Christoph Neubauer. Dabei kannten Vater und Sohn den Spargelmarkt überhaupt nicht, sprangen quasi ins kalte Wasser.
Die Skepsis war durchaus nicht wegzuwischen, hatten es schon andere versucht, waren darüber pleite gegangen. Doch es war die Zeit, als in der ehemaligen DDR für landwirtschaftliche Betriebe jede Menge Subventionen flossen; also wurde – noch zu D-Mark-Zeiten – die erste Spargel-Sortier-Maschine nach Beelitz in Brandenburg verkauft.
„Im ersten Jahr haben wir vier Maschinen verkauft, alle aber nach einiger Zeit wieder verschrottet“, mussten die Neubauers noch Lehrgeld zahlen. Im zweiten Jahr aber wurden schon zwölf Geräte verkauft, die arbeitsfähig waren. „Die haben 7200 Stangen pro Stunde geschafft“, skizziert Christoph Neubauer die Leistungsfähigkeit der Maschinen aus dem Jahr 2000. Im Jahr später waren es schon 8700 Stangen.
Die Qualität aus Scheidingen sprach sich in der Spargelwelt bald herum, die Neubauers legten auch stets Verbesserungen auf. „Heute packen die neuesten Maschinen 45 000 Stangen pro Stunde“, erklärt Christoph Neubauer. Die Firma hat sich weltweit Absatzmärkte erschlossen, liefert nach Werne an der Lippe, aber auch in die USA, nach Neuseeland und nach Peru.
In das südamerikanische Land wurden allein 20 Maschinen verkauft. Unlängst waren die Neubauers eingeladen zu einem Treffen deutscher Weltmarktführer mit Diplomaten aus allen Ländern in Berlin. „Da habe ich mich lange mit dem peruanischen Botschafter ausgetauscht“, plaudert Christoph Neubauer ein wenig aus dem Nähkästchen..
Inzwischen ist die Firma in Scheidingen mehrfach ausgebaut worden, hat zuletzt vor drei Jahren eine ganz neue Halle am Bierbäumchen errichtet. Dort wird von A bis Z alles selber gebaut. Informatiker gestalten die Software, es sind Metallfacharbeiter im Einsatz, Elektroniker. 30 bis 70 Maschinen pro Jahr waren es zuletzt. Jüngst wurde die 1000. Maschine in die Nähe vom Bodensee geliefert.
Neubauer Automation lebt auch davon, dass der Spargel in Deutschland boomt. Die Königin des Gemüses wird inzwischen auf etwa 40 000 Hektar hierzulande angebaut; vor 20 Jahren war es nur die Hälfte. Gleichwohl ist es kein Selbstläufer. „In Deutschland ist der Markt gesättigt“, streckt Christoph Neubauer die Fühler mehr und mehr ins Ausland aus. Dabei zählen Spargelbauern in den Niederlanden, in Belgien, Frankreich, Spanien, Italien, der Schweiz, Österreich, Ungarn, Polen und anderswo schon zur Kundschaft.
Die Konkurrenz allerdings schläft nicht. Neubauers haben daher mit ihrer 30-köpfigen Belegschaft ihre Produktpalette ausgeweitet, bieten auch Waagen, Schneide- und Bündelmaschinen, Wäschen und vieles mehr an. Bis zu 28 Meter lang kann eine Einheit sein. „Die muss dann auf drei Lkw transportiert und vor Ort montiert werden“, sind laut Neubauer seine Fachleute viel unterwegs.
Das gilt auch für den Fall einer Reparatur. „Wir haben zehn Leute im Service“, so werden die Kunden umgehend aufgesucht, wenn es irgendwo hakt. Das trägt auch zur Kundenbindung bei und damit zur Zufriedenheit. Nicht zuletzt ein Faktor auf dem Weg in die Liste der „Hidden Champions“, den auf ihrem Sektor führenden Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen.